Frage

Warum wird dieser Konflikt zum Weltkrieg?

 
 

Der Erste Weltkrieg beginnt als Krieg zwischen den Hauptmächten Europas. Er ist im Vorfeld auch als rein europäischer Krieg gedacht. Sehr bald weitet er sich allerdings zu Europas Krieg in der ganzen Welt aus, bevor er dann zu einem echten Weltkrieg wird.

Zuletzt sind 32 Nationen einschließlich der formell noch zum British Empire gehörenden, aber als eigenständige Länder auftretenden Nationen Australien, Kanada und Neuseeland an dem Konflikt beteiligt. Der Hauptgrund für diese ständige Erweiterung der Fronten ist, dass die großen europäischen Mächte schon vor 1914 ein weltweites Netz von Kolonien und anderen abhängigen Gebilden gesponnen haben. Großbritannien ist damals eine weltweit agierende Macht, denn das British Empire erstreckt sich von Afrika über Indien, Neuseeland und Australien bis nach China. Frankreich wiederum hat großen Besitz in Afrika, auf dessen Rohstoffe und Einwohner es zurückgreifen kann. So führen die Großmächte ab Ende 1914 auch in Afrika gegeneinander Krieg, gilt es doch, dem Gegner den Zugang zu Ressourcen abzuschneiden.

Kanadische Artillerie auf dem Weg zur Front
Kanadische Artillerie auf dem Weg zur Front: Großbritannien kann auf große militärische Reserven aus dem Empire zurückgreifen.     © LOOKSfilm

Entscheidend für die Ausweitung des Konflikts zum Krieg in der ganzen Welt ist allerdings die Mobilisierung des British Empire. Diese beginnt im Frühjahr 1915 mit der Entsendung von australischen und neuseeländischen Divisionen auf die türkische Halbinsel Gallipoli. Von dort aus sollen die sogenannten ANZAC-Streitkräfte (Australian and New Zealand Army Corps) zu den Dardanellen durchstoßen. Die Alliierten wollen das Osmanische Reich – seit Herbst 1914 mit Deutschland verbündet – zu einem Sonderfrieden zwingen und damit auch den deutschen Nachschub entscheidend schwächen. Zwar misslingt dieses Landungsunternehmen mit riesigen Verlusten, aber die australischen und neuseeländischen Truppen werden zum großen Kriegsschauplatz an der Somme gebracht, wo auch kanadische und südafrikanische Truppen kämpfen.

Indische Truppen in Frankreich, 1914/1915
Indische Truppen in Frankreich, 1914/1915
© LOOKS/Library of Congress

Quantitativ am bedeutendsten im Verbund des British Empire ist das Kontingent indischer Soldaten. 1,5 Millionen Inder sind im Verlauf des Krieges an den Fronten in Europa, Afrika und Asien im Einsatz. Von ihnen gehören nahezu 900.000 zu den Kampfeinheiten.

Frankreichs Kolonialtruppen


Auch Frankreich macht Kolonialtruppen in erheblichem Umfang mobil, was eine weitere Einbeziehung Afrikas in die Kämpfe bedeutet. Somit müssen ab dem Sommer 1916 Millionen Menschen aus aller Welt am Krieg teilnehmen. Großbritannien schickt auch Hunderttausende von chinesischen Arbeitern an die Westfront, die dort Schützengräben bauen, Minen legen und unter schrecklichen Bedingungen arbeiten und leben müssen.

Französische Kolonialtruppen aus Marokkko auf der Straße in Villers-Cotterêts, Frankreich
Französische Kolonialtruppen aus Marokko auf der Straße in Villers-Cotterêts, Frankreich, Juli 1918
© LOOKSfilm

Mit dem Kriegseintritt der USA im April 1917 auf Seiten der Alliierten wird der Krieg endgültig zum Weltkrieg. Bis zum Sommer 1918 sind drei Millionen amerikanische Soldaten und Hilfspersonal an der Westfront engagiert. Der Krieg weitet sich zusätzlich aus, weil auch andere Reiche beginnen, ihren Machtbereich im Schatten des weltweit geführten Krieges auszudehnen. Dies trifft insbesondere auf Japan mit seinem erfolgreichen Bemühen zu, den Krieg der Europäer für die Errichtung eines Semi-Protektorats in China zu nutzen.

Neue Macht im Fernen Osten


Japan – mit Großbritannien verbündet – hat zu Kriegsbeginn vor allem die Aufgabe, die deutschen Kolonien in China (Halbinsel Shantung und Mikronesien) zu befreien. Diese Ende November 1914 abgeschlossene Aktion nutzt Japan, um dem militärisch unterentwickelten China mit Krieg zu drohen und es durch erpresserische Verträge in vollständige Abhängigkeit zu bringen. Nach der Russischen Revolution Ende 1917 versuchen japanische Truppen auch, im destabilisierten Russischen Reich Fuß zu fassen. Sie fallen mit mehr als 70.000 Soldaten von China aus in Sibirien ein und besetzen es bis östlich des Baikalsees. Diese Eroberungen muss Japan zwar nach 1919 zurückgeben, aber seinen Platz im Kreis der großen Mächte hat es durch diese Aktionen erhalten. Insgesamt ist von 1914 bis 1918 aus dem Krieg Europas in der Welt ein weltumspannender Krieg, tatsächlich der Erste Weltkrieg, entstanden.