Ort

Compiègne

 
 

In einem Eisenbahn-Salonwagen, den man in eine Waldlichtung des Dorfes Rethondes nahe der französischen Stadt Compiègne gerollt hat, empfängt der alliierte Oberbefehlshaber General Ferdinand Foch am 8. November 1918 die deutsche Waffenstillstands-delegation unter Führung des Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger.

Foch empfängt die Deutschen mit allergrößter Distanz und fragt: "Was führt die Herren hierher? Was wünschen Sie von mir?" Erzberger antwortet, er wolle über Waffenstillstandsbedingungen diskutieren, worauf Foch entgegnet, dass er keine Vorschläge zu machen habe. Die Bedingungen, die den Deutschen bereits am 6. November übergeben worden sind, seien nicht verhandelbar. Deutschland könne nur annehmen oder ablehnen, sonst nichts. Natürlich wissen die Alliierten zu diesem Zeitpunkt, dass die Deutschen keinen Verhandlungs-spielraum haben. Die Revolution ist ausgebrochen, Deutschland braucht unbedingt den Frieden.

Der alliierte Oberbefehlshaber Ferdinand Foch
Der alliierte Oberbefehlshaber Ferdinand Foch (1851-1929) in Washington, D.C.
© LOOKS/Library of Congress

Dementsprechend unerbittlich sind die Bedingungen: Räumung der kriegsbesetzten Gebiete innerhalb von 15 Tagen; Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch die Alliierten; Brückenköpfe der Alliierten rechts des Rheins in Mainz, Koblenz und Köln; Übergabe nicht nur von Kanonen und Maschinengewehren, sondern auch von 1700 Flugzeugen, 5000 Lokomotiven und 150.000 Eisenbahnwaggons; Fortbestand der Blockade der deutschen Seehäfen bis zu einem Friedensvertrag.

Harte Bedingungen


Damit wäre Deutschland vollständig entwaffnet und - noch schlimmer - weiterhin dem Hunger ausgesetzt, denn die Not der Bevölkerung würde sich durch den Mangel an Transportmitteln noch vergrößern. Als Erzberger dies General Foch zu bedenken gibt, erwidert dieser: "Ich lehne es ab, über Maßgaben militärischer Art Belehrungen oder Kritik anzunehmen. Im Übrigen erinnere ich an das Verhalten der Deutschen in Lille und Nordfrankreich." Gegen diese Anspielung auf deutsche Ausbeutungspolitik und Kriegsverbrechen wendet Erzberger ein: "Das war im Krieg, jetzt sind wir im Waffenstillstand." Darauf beendet Foch das Gespräch mit der lakonischen Feststellung: "Frankreich lebt mit Deutschland nicht im Frieden. Ich bin Soldat: Wo kein Friede ist, ist Krieg, ein Drittes gibt es nicht."

Amerikanische Karikatur, die den alliierten Befehlshaber Foch bei der Verkündung der Waffenstillstandbedingungen zeigt
Die Waffenstillstandsverhandlungen aus der Sicht des amerikanischen Karikaturisten William Allen Rogers: Der alliierte Befehlshaber Foch präsentiert dem Feind die Waffenstillstandsbedingungen.
© LOOKS/Library of Congress

Erzberger gibt diese Bedingungen zur Stellungnahme an den Chef des Heeres, Generalfeldmarschall von Hindenburg, und erhält von diesem am 10. November eine Liste von Änderungswünschen, allerdings mit der Maßgabe: "Gelingt Durchsetzung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen." Die Militärs haben schließlich schon am 2. Oktober die Führer der Reichstagsfraktionen wissen lassen, dass "nach menschlichem Ermessen keine Aussicht mehr besteht, dem Feinde den Frieden abzuzwingen." In dieser Situation bleibt der deutschen Delegation keine Alternative. So findet in den frühen Morgenstunden des 11. November die Unterzeichnung des Waffenstillstands statt. Um 11 Uhr schweigen endlich die Waffen.

Der Eisenbahnwaggon, in dem das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wird
Der Eisenbahnwaggon, in dem das Waffenstillstandsabkommen am 11. November 1918 unterzeichnet wird.
© LOOKS/Library of Congress

Die symbolische Bedeutung des Waffenstillstands von Compiègne ist so groß gewesen, dass der Eisenbahnwaggon zunächst für einige Jahre nach Paris in den Ehrenhof des Invalidendoms gebracht wird, bevor er einen Platz an einer Gedenkstätte in Compiègne erhält. Nach dem Sieg über Frankreich 1940 will Hitler dieses Symbol der einstigen deutschen Demütigung auslöschen. Der Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 wird deshalb im selben Eisenbahnwaggon durchgeführt, den die Wehrmacht zuvor wieder in die Lichtung von Rethondes gerollt hat. Anschließend wird der Waggon im Triumphzug nach Berlin verbracht und für einige Zeit Unter den Linden ausgestellt. 1945 wird er unter ungeklärten Umständen zerstört. Heute steht ein Waggon der gleichen Baureihe im Museum auf der Lichtung von Rethondes.