Ort

Sankt Petersburg

 
 

In der russischen Hauptstadt Sankt Petersburg, zu Kriegsbeginn wegen ihres deutsch klingenden Namens in Petrograd umbenannt, bricht 1917 die Revolution aus. Im März führen Streiks und Meutereien zum Sturz des zaristischen Regimes und der Bildung einer Provisorischen Regierung. Im November 1917 übernehmen die Kommunisten die Macht.

Anfang März 1917, nach russischer Zeitrechnung Ende Februar, kommt es in den Waffen- und Munitionsfabriken der Hauptstadt des russischen Reiches zu massiven Protesten gegen den Krieg. Binnen einer Woche breiten sich die Auf- und Ausstände lawinenartig aus. Ab dem 10. März herrscht in Petrograd Generalstreik. Das Militär kommt zum Einsatz, zahlreiche Demonstranten und Streikende werden getötet. Die Bewegung wird zur Revolution, als sich am 11. März die Petrograder Kaserne den Streikenden anschließt. Vier Tage später muss Zar Nikolaus II. zurücktreten, nachdem auch die Abgeordneten des russischen Parlaments (Duma) sich geweigert haben, die vom Zaren verfügte Parlamentsauflösung zu befolgen.

Die Provisorische Regierung Russlands im Jahr 1917
Die Provisorische Regierung, die im März 1917 vom russischen Parlament gebildet wird. Justizminister Alexander Kerenski steht in der zweiten Reihe, Zweiter von rechts.
© LOOKS/Library of Congress

Die Duma bildet aus eigenem Ermessen eine neue Provisorische Regierung unter Fürst Lwow, die bis zu Neuwahlen und der Ausarbeitung einer Verfassung die Amtsgeschäfte übernimmt. Die wichtigste Persönlichkeit dieser bürgerlichen Übergangsregierung ist Justizminister Alexander Kerenski, der im Mai Kriegs- und Marineminister und im Juli Ministerpräsident wird. Die neue Regierung lässt den Zaren am 21. März verhaften, beschließt die Meinungs- und Pressefreiheit und ordnet eine Freilassung der politischen Gefangenen an.

Gründung des ersten Sowjets


Die Aufständischen wählen bereits am 12. März einen Arbeiterrat (Sowjet), bald erweitert durch einen Soldatenrat. Der Sowjet der Arbeiter und Soldaten versteht sich als Kontrollorgan der Massen gegenüber der Provisorischen Regierung und umgibt sich sogar mit einer bewaffneten Macht (Miliz). Der sogenannte "Befehl Nr. 1" vom 14. März verbietet den Soldaten der Petrograder Garnison, ihre Waffen an die Offiziere abzugeben, außerdem ist das Duzen der Soldaten durch Offiziere fortan untersagt. Im Gegensatz zur Provisorischen Regierung, die auf eine Fortführung des Kriegs gegen Deutschland setzt, ruft der Petrograder Sowjet am 27. März die Proletarier aller Länder zu einem "Frieden ohne Annexionen und Kontributionen" auf.

Wladimir I. Lenin
Wladimir I. Lenin (1870-1924)
© LOOKS/Library of Congress

In dieser revolutionären Situation, mitten in den Streit zweier neuer Machtzentren, trifft der Führer der kommunistischen Bewegung Wladimir I. Lenin in Petrograd ein. Die Deutschen haben den Revolutionär in einem verplombten Eisenbahnwaggon aus der Schweiz über Schweden nach Russland reisen lassen, weil sie hoffen, dass er den Bruch der Sowjets mit der Provisorischen Regierung weitertreibt und es dann vielleicht zu einem Sonderfrieden mit dem Deutschen Reich kommen könnte. Lenin verspricht – wie von den Sowjets beschlossen – tatsächlich den Frieden.

Bolschewiki in der Minderheit


Aber die Kommunisten sind unter den Sowjets noch in der Minderheit, wie der Gesamtrussische Sowjetkongress im Juni in Petrograd zeigt. Lenin erklärt hier zwar seine Bereitschaft, mit den Bolschewiki die Regierung zu übernehmen, was bei der großen Mehrheit der Sowjets zu diesem Zeitpunkt aber überhaupt keine Gegenliebe findet. Nach der Niederschlagung bewaffneter Proteste im Juli werden führende Bolschewiki verhaftet, Lenin flieht nach Finnland.

Zerstörte Fensterscheiben eines Ladens in St. Petersburg
Ein zerstörter Laden in St. Petersburg nach den Aufständen im Juli 1917
© LOOKS/Library of Congress

Erst als der fortschreitende Hunger der städtischen Massen zu weiteren Aufständen führt und Ende Juli eine große Offensive der russischen Armee von den Deutschen blutig zurückgeschlagen wird, ist die Zeit reif für die Machtübernahme der Bolschewiki. Ab September verfügen sie sogar über eine Mehrheit im Petrograder und Moskauer Sowjet. In einem Coup am 6./7. November (nach russischer Zeitrechnung am 24./25.Oktober und entsprechend jahrzehntelang in kommunistisch regierten Ländern als Oktoberrevolution gefeiert) besetzen Soldaten und bewaffnete Arbeiterbrigaden strategisch wichtige Punkte in Petrograd. Die Bolschewiki stürzen die Provisorische Regierung und übertragen die Regierungsgeschäfte auf den neu konstituierten bolschewistischen Rat der Volkskommissare. Dies markiert den Beginn der mehr als 70 Jahre dauernden kommunistischen Herrschaft in Russland.