Ort
Verdun
Das Gebiet um Verdun ist im Jahr 1916 Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Franzosen und Deutschen. Verdun wird zum Symbol für das Gemetzel der großen Materialschlachten an der Westfront und auch für den unbeugsamen Willen der Franzosen, ihre Heimat gegen die deutschen Angreifer zu verteidigen.
Die Stadt an der Maas ist seit mehreren Jahrhunderten ein deutsch-französischer Begegnungsort - allerdings die längste Zeit für blutige kriegerische Auseinandersetzungen. In Verdun sind schon die Koalitionstruppen der europäischen Mächte gegen die Französische Revolution angerannt. Auch im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 ist Verdun umkämpft, und in den 1880er-Jahren werden große Sperrforts wie Douaumont und Vaux um die Stadt herum angelegt.
Das alte Stadttor der Stadt Verdun
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Im Ersten Weltkrieg ist Verdun zunächst nur ein Nebenkriegsschauplatz. Die französische Offensive entwickelt sich südlich davon im Elsass, und die Deutschen verhalten sich am Armeemittelpunkt Metz, nahe Verdun, zunächst zurückhaltend. Erst ab Ende 1915 gewinnt dieser Sektor der 700 Kilometer langen Westfront eine strategische Bedeutung. Von hier aus, so scheint es den deutschen Verantwortlichen, können sie versuchen, die Front neu aufzurollen und den Krieg wieder in Bewegung zu setzen, um den Durchbruch auf Paris zu schaffen.
Falkenhayns Plan
Der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn glaubt, dass die Franzosen und Briten bald an der Aisne und in Flandern angreifen werden (was sie auch tun wollen) und deshalb nicht zu viele Soldaten vor Verdun versammeln können. Er denkt, dass ein Vormarsch mit recht geringen Kräften gelingen kann, wenn vorher die französischen Stellungen "sturmreif" geschossen werden. Zwar hat Falkenhayn später in seinen Memoiren geschrieben, er habe dem Kaiser um Weihnachten 1915 einen Plan vorgestellt, die Franzosen vor Verdun keineswegs zu schlagen, sondern langsam auszubluten. Dies hat er aber nur behauptet, um den späteren Verlauf der Offensive zu rechtfertigen. Einen Quellenbeleg für diesen Plan gibt es nicht.
General Erich von Falkenhayn (1861-1922): Falkenhayn wird im September 1914 zum Chef des deutschen Generalstabs berufen. Das Scheitern der Offensive in Verdun führt zu seinem Rücktritt Ende August 1916.
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Zäher Verteidigungskampf
Frankreich bietet alles auf, um gerade hier ein Vorgehen der Deutschen zu verhindern. "Courage!...On les aura!" ("Nur Mut!...Wir packen sie!") lautet der Schlusssatz eines Armeebefehls von General Pétain am 10. April, der alle Franzosen beflügelt. Dieser Tagesbefehl ist seitdem ein sakrosanktes Dokument der französischen Nation. Pétain sorgt dafür, dass zwischen dem Eisenbahnknotenpunkt Bar-Le-Duc und Verdun Lastwagen voller Soldaten und Kriegsmaterialien aller Art Stoßstange an Stoßstange heranrollen, 24 Stunden am Tag. Nahezu alle Divisionen der französischen Armee werden vor Verdun eingesetzt und jeweils nach einer Woche zermürbendem Kampf abgelöst, so dass praktisch jeder französische Soldat vor Verdun kämpft und hier die Heimat vor dem "Boche" verteidigt. Mit seiner Verteidigungsstrategie erwirbt sich Pétain hohes Ansehen. Sein Nimbus als "Retter von Verdun" begründet seinen Aufstieg zum französischen Oberbefehlshaber nach der gescheiterten Nivelle-Offensive im Frühjahr 1917 und seine weitere politische Karriere nach Kriegsende. Nach der Niederlage Frankreichs gegen Deutschland im Sommer 1940 wird er schließlich zum Chef des unbesetzten Teils Frankreichs, verspielt aber seine 1916 erworbene Reputation durch die Kollaboration seines Regimes mit den Nationalsozialisten.
Französische Soldaten und Lastwagen auf "La Voie Sacrée" (Heilige Straße) zwischen Verdun und Bar-le-Duc
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Erbitterte Kämpfe
Zwischen Februar und Dezember 1916 verzeichnet jede Seite Verluste von circa 330.000 Soldaten. Schließlich geben die Deutschen auf, weil sie erhebliche Truppenteile an die Somme abtreten müssen, wo seit Anfang Juli die Engländer angreifen. Am Morthomme ("toter Mann"), einer der am härtesten umkämpften Anhöhen auf dem Westufer der Maas, steht heute noch ein riesiges Denkmal: ein Knochenmann von einer Fahne umweht mit der Inschrift "Ils n‘ont pas passé." ("Sie sind nicht durchgekommen.")
Der zerstörte Caures-Wald in der Nähe des Forts Douaumont
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Symbol der Verständigung
Nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt Verdun ein zentraler Ort der französischen Erinnerung, wird schließlich aber auch zum Symbol der deutsch-französischen Verständigung, als 1984 der französische Präsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl im Angesicht des Beinhauses spontan und schweigend die Hände ineinanderlegen. Diese Geste der Versöhnung wirkt noch heute. Auf dem Fort Douaumont weht seit November 2009 neben der französischen und der europäischen Fahne auch die der Bundesrepublik.