12.12.1916

Hungernde Armenier in Jerewan

 
 
Ein hungerndes Kind in Jerewan, 1916
Ein hungerndes Kind in Jerewan, 1916
 
 

Marina Yurlova konnte aus den Trümmern gerettet werden, als sie während der russischen Offensive verschüttet wurde. Nachdem sie lange im Lazarett war, absolviert sie eine Ausbildung als Fahrerin eines Sanitätskraftwagens. Im Winter 1916/17 wartet sie in der armenischen Stadt Jerewan auf ihren Einsatzbefehl. Hier sammeln sich viele Flüchtlinge, die den Völkermord an den Armeniern überlebt haben. In Jerewan müssen sie keine Angst haben, getötet zu werden. Dennoch geht das große Sterben weiter: Es herrscht Hungersnot.

Wenn wir durch die Straßen gingen, griffen uns Scharen verzweifelter Kinder an. Sie waren fast nackt, mit fürchterlich aufgetriebenen Bäuchen. Ihre Beine waren so dünn, dass man nicht begriff, wie sie darauf stehen konnten, ihre Rippen wollten durch die angespannte Haut platzen. Sie klammerten sich an unsere Beine und stießen uns ihre schrecklichen kleinen Klauen in die Taschen, während sie um eine Brotrinde bettelten. Ihr Geschrei klang wie das Zwitschern kleiner Vögel, so heiser hatte sie der Hunger gemacht. (…)
Jerewan besaß einen öffentlichen Backofen, eine große viereckige Grube mit Zementboden. Jetzt war sie leer und ohne Feuer. Trotzdem versammelten sich hier täglich die Frauen – als warteten sie auf ein Wunder. Es gab keinen unheimlicheren Anblick als diese zerlumpten Geschöpfe, zumal die Mütter mit den Säuglingen an den langen Brüsten.