06.08.1914

Abgeschnitten von der Welt

 
 
Der Marktplatz in Leipzig um 1900
Der Marktplatz in Leipzig um 1900
 
 

Seit 1911 lebt die Australierin Ethel Cooper in Leipzig. Sie liebt die deutsche Kultur, beherrscht die Sprache fließend – doch mit dem Kriegsausbruch wird sie in ihrer Wahlheimat über Nacht zur Feindin. Ab dem 31. Juli 1914 schreibt Ethel Cooper jede Woche einen Brief an ihre Schwester Emmie, die in Adelaide lebt. Anfangs lässt sie die Briefe mit Hilfe von Freunden ins Ausland schmuggeln, später versteckt sie ihre Post zuhause – für die Zeit nach dem Krieg.

Liebe Emmie, wenn Du diese Zeilen liest, werden die Deutschen womöglich schon Paris und St. Petersburg besetzt haben und kein einziges intaktes Schiff haben. Aber wir hatten so viele Schreckensnachrichten diese Woche, dass ich nicht glaube, dass mich noch irgendetwas überraschen kann. Ich hoffe, dass mein letzter Brief durchgekommen ist. Die Grenzen wurden dicht gemacht, so dass wir mit Ausnahme von Österreich-Ungarn von der Außenwelt abgeschnitten sind. Der Alltag für alle Ausländer ist sehr ernst. Man kann keine Schecks mehr einlösen oder Geldbriefe erhalten. (...)
Am Dienstag ging ich zum englischen Konsul. (...) Ich bot ihm an, dass drei Leute seiner Wahl bei mir wohnen könnten – ich kann sie nicht durchfüttern, aber sie können bei mir schlafen und frühstücken. Er wählte drei Tänzerinnen aus dem "Trocadero" aus! Alle Theater und Varietés sind geschlossen. Die Mädchen waren für ein Engagement aus England geholt worden und sind nun hoffnungslos gestrandet. Ein paar Stunden später wurde der Krieg [durch England] erklärt, und der Konsul musste das Land verlassen.